Wildberg: Hexenturm

Der Hexenturm ist Bestandteil der ehemaligen Stadtbefestigung von Wildberg. In dem Turm wurden verurteilte "Hexen" gefangen gehalten.

Das bekannteste Verfahren eines Hexenprozesses in Wildberg stammt aus dem Jahr 1621 und ist in den Chroniken von Wildberg und Neubulach festgehalten. Barbara Essig, die bis dahin in Neubulach als Hebamme tätig war, wurde am 18. Januar 1621 vor Pfarrer, Vogt und Gericht gebracht. Ihr Gatte Ludwig Essig beschuldigte seine Frau Barbara der Hexerei. Er hatte sie als Witwer geheiratet - sie hatte als Witwe selbst eine Tochter mit in die Ehe gebracht. Barbara kam ursprünglich aus Breitenberg, wo ihr erster Mann Schulmeister gewesen war.

Es dauerte bis zum 16. Juni bis beim Vogt gegen Barbara Klage erhoben wurde. Der Kläger war vermutlich ein Verwandter der ersten Frau von Ludwig Essig. Nach seinen Aussagen habe Barbara sich an seinen 8 Schweinchen, die im Hof lagen, zu schaffen gemacht. Einige seien davon blind geworden und danach alle eingegangen. Im Juli wurde Barbara vom Vogt verhört und dieser berichtete nach Stuttgart, denn es galt ein Gesetz in Württemberg, nachdem nur mit Wissen des Herzogs gefoltert werden durfte.

Am 10. Juli 1621 wurde Barbara auf fürstlichen Befehl durch den Keller (Kellermeister, Verwalter der Einkünfte) Jerg Vischer "der Hexerei wegen" von 4 Musketieren nach Wildberg in den Hexenturm gebracht und fast drei Monate gefangen gehalten sowie vor Gericht gestellt. Verteidiger im Gerichtsverfahren war Friedrich Bub von Wildberg - Ankläger Jerg Vischer, der ehemalige Untervogt aus Bulach, der mittlerweile als geistlicher Verwalter und Vogt nach Wildberg berufen worden war.

Der erste Gerichtstag wurde auf Mitte Juli angesetzt - zunächst mit der alte Anklage. Ein weiterer Kläger gab nun an, ihm habe geträumt, Barbara sei die "Stege" heraufgekommen, habe ihm keinen Morgengruß gegeben und stattdessen nur gesagt: "Potz! Potz!". Später sei sie tatsächlich wie im Traum gekommen und habe auch "Potz! Potz!" gesagt. Nun traten auf einmal weitere Zeugen auf, die allerlei Unerklärliches mit Barbara Essig in Verbindung brachten: Einer berichtete, sie habe in seinem Stall Futter in den Futtertrog gelegt, und kein Tier habe fressen wollen. Die Frau des Vogtes erzählte, sie habe mit einer weiteren Edelfrau geredet, als Barbara dazugekommen sei und ihr die Hand gegeben habe, daraufhin sei diese ganz blau geworden. Ein Mann bezichtigte die Hebamme, sie sei nicht oft zu seiner Frau gekommen und habe sie im Wochenbett nachlässig behandelt. Weitere Frauen meinten, die Barbara habe durch Tränklein den Tod ihres Kindes verschuldet. Die Vorwürfe wurden immer wirrer: Sie habe als Wolf einige Schafe gebissen und ein Pferd zu Tode geritten. Barbara jedoch wies alle Anschuldigungen zurück und behauptete ihre Unschuld.

Lediglich einige Pfarrer der Umgebung, deren Aussagen in einer Urkunde festgehalten wurden, traten zu ihrer Entlastung auf. Der Pfarrer Daniel Grückler aus Bondorf etwa schrieb:

"die verhasste Barbara sei die ganze Zeit während seiner Tätigkeit in Breitenberg immer um sie gewesen und er müsse ihr die Liebe, Ehre und Freundschaft bezeugen so sie gegen ihn und seiner Hausfrau erwiesen habe, alle seine Kinder, die sie zur Welt geholfen, seien frisch und gesund.

Pfarrer Johannes Zeller aus Rotfelden der ehemals Amtsvertreter in Breitenberg war, bescheinigte ihr 

Barbara sei jederzeit freundlich und friedlich gewesen, habe sich geziemend benommen und sei im Kirchlichen Examen gut bestanden.

Schlecht lauteten die Zeugnisse aus Bulach von Diaconus und der Vögtin sowie vom Pfarrer und der halben  Gemeinde in Breitenberg. Daher wurde Sie in den Hexenturm zurückgeführt, dessen Ruine mit dem massiven Mauerwerk noch heute in der Frühmeßgasse steht. Dort wurde sie in den Unterstock hinabgehaspelt. Bereits fünf Tage später erfolgte das erste Verhör bei dem Barbara bei der Zurückweisung aller Anklagepunkte blieb. Bei der Prüfung mit 12 theologischen Fragen zu ihrem christlichen Glauben wußte sie alle Fragen zu beantworten. Auch auf die Frage ob sie dem Teufel absage und seinen Gesellen erwiderte sie "Ja, sie sage ihm ab im Angesicht Gottes und seiner Engel."

Das Verfahren nahm jedoch seinen weiteren Verlauf und am 2. August wurde die arme gequälte Frau vom Tübinger Nachrichter (Scharfrichter, Henker) "torquiert" und gestand unter der Folter - dem "peinlichen Halsgerichtsverfahren" -  alle Vorwürfe. Zwei Tage vor dem Eintreffen der günstigen Zeugnisse der Pfarrer wurde Barbara wieder gefoltert und gestand insgesamt 48 Tatbestände: Die Verleugnung Gottes, den bösen Umgang mit dem Teufel, die Tötung der Kinder durch des Teufels Tränklein und Salben, die Rache an der Vögtin und der Edelfrau, das Gewitter machen und das Zutode-Reiten von Jährlingen (einjährige Rinder) und dem schwarzen Hengst. Sie habe ihren Mann durch den Teufel die Treppe hinabwerfen lassen, daß er zwei Rippen gebrochen habe und sterben mußte.

Am 26. August berichtete Vischer nach Stuttgart und erhielt als Antwort: Der Keller solle Barbara nochmals allen Ernstes bedrohen mit Folterung und nochmals foltern. Nachdem dies geschehen war beantragte der Keller bei der Kommission in Stuttgart die Verbrennung der Hexin. Das Urteil lautete:

 Mit Urteil wird im Recht erkannt, die Hexin wird dem Nachrichter zu Hand und Brand gesprochen, der sie wohl verdienter Straf und zu einem abschreckenden Beispiel auf die Richtstätte bringen und zu Asche verbrennen solle. 

Das Gericht verurteilte Barbara Essig einstimmig zum Tode auf dem Scheiterhaufen. Der Pfarrer Johannes Konrad Zeller aus Rotfelden begleitete Barbara Essig zur Richtstätte. Nach 78 Tagen Haft wurde sie am 26. September 1621 auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt. "Zur Exekution wurden 20 Musketiere aufgeboten, zwei Pfund Schießpulver, zwei Klafter Holz, zehn Büschel Stroh verbraucht und den 20 Mann zur Ergötzlichkeit (Erfrischung) zu Verzehrung gegeben drei Gulden und 20 Kreuzer.

Doch das Verfahren war damit noch nicht vorbei: Im weiten Bereich wurden nun Nachforschungen über Personen angestellt , deren Namen Barbara in ihrer furchtbaren Qual angegeben hatte. Ihre Tochter Ursula die man ebenfalls der Hexerei beschuldigte, wurde zwei Tage nach ihrem Tod enthauptet.